Weniger Nutztiere und mehr Wirtschaftsdünger? – Warum Özdemirs Rechnung nicht aufgeht

In einem Interview mit t-online hat der Bundeslandwirtschaftsminister, Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erneut betont, dass er die Nutztierhaltung deutliche reduzieren möchte. Es gehe ihm darum „weniger Tiere besser zu halten“[1]. Gleichzeitig stellt er jedoch fest, dass der Dünger, der in der Nutztierhaltung entsteht, wichtig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sei. Weil wir uns mit ihm unabhängiger von mineralischem Dünger machen würden, sei es wichtig die Landwirtschaft dabei zu unterstützen[2]. Doch was meint BM Özdemir damit eigentlich und geht seine Rechnung auf?

In der Landwirtschaft entzieht jeder Pflanzenwachstumsprozess dem Ackerboden Nährstoffe, die mit dem Erntegut abtransportiert werden. Um zu verhindern, dass der Boden verarmt und das Pflanzenwachstum dadurch nicht immer weiter gehemmt wird, müssen die entzogenen Nährstoffe durch Düngung ersetzt werden. Landwirte setzen deshalb Wirtschaftsdünger (Gülle, Mist), synthetisch hergestellten Mineraldünger oder eine Kombination aus beidem ein. Damit sichern sie langfristig hohe Erträge und erhalten die Bodenfruchtbarkeit und die Bodengesundheit[3]. Mineraldünger haben den Vorteil, dass sie leicht zu lagern und zu transportieren sowie gut dosierbar sind. Sie bringen die benötigten Nährstoffe schnell an die Pflanzen. Wirtschaftsdünger sind hingegen eine nachwachsende Ressource, die auf natürliche Art und Weise produziert wird. Ihre Nährstoffzusammensetzung ist jedoch schwer einzuschätzen, weil sie immer unterschiedlich in ihrer Zusammensetzung ist. Ihr Vorteil ist, dass durch den Gehalt an organischer Substanz der Humusaufbau im Boden gefördert wird. Humus ist wichtig für die Stabilität, Durchlüftung und Wasserspeicherung des Bodens und dadurch entscheidend für die Bodenfruchtbarkeit[4]. Gerade in Zeiten wie diesen, wo die Preise für Mineraldünger explodieren, sind Wirtschaftsdünger wichtiger denn ja. Je mehr des Pflanzennährstoffbedarfs Landwirte über Wirtschaftsdünger decken können, desto weniger sind sie auf den Zukauf von mineralischen Düngemitteln angewiesen.

Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass etwa 30 bis 50% der landwirtschaftlichen Erträge mittlerweile auf die Nutzung mineralischer Dünger zurückzuführen sind und fast die Hälfte der Weltbevölkerung heute durch die Hilfe künstlich erzeugter Stickstoffdünger ernährt wird[5]. Stickstoff ist einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe und notwendig, um die Erträge zu steigern. Laut Deutschem Bauernverband (DBV) können derzeit allerdings nur etwa 22% des Stickstoffbedarfs der Pflanzenproduktion aus Wirtschaftsdüngern aus der deutschen Nutztierhaltung gedeckt werden[6]. Die Bundesregierung sieht das ein klein wenig optimistischer und geht von etwa 31% aus[7]. Werden Gärreste aus Biogasanlagen hinzugerechnet, dann steigt der Anteil auf etwa 40-41%. Diese Zahlen machen deutlich, wie weit entfernt wir in Deutschland davon sind, uns unabhängiger von mineralischen Düngemitteln zu machen.

Wie soll es denn nun aber funktionieren, einerseits weniger Nutztiere in Deutschland zu halten und die Landwirtschaft andererseits unabhängiger von Mineraldünger zu machen? Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Silvia Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) spricht  sich ja sogar von einer Halbierung des Fleischkonsums aus[8]. Was würde eine Halbierung der Nutztierbestände bedeuten? Das Thünen-Institut hat berechnet, dass der Anteil des Stickstoffs aus Gärresten und Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft sich dann gleichzeitig um etwa 39% verringern würde. Erwartungsgemäß würde also exakt das Gegenteil von dem eintreten, was BM Özdemir fordert, und unsere Abhängigkeit von mineralischen Düngemitteln würde dadurch erheblich steigen. Angemerkt werden muss natürlich, dass die Reduktion der Nutztierhaltung und des Fleischkonsums dabei Hand in Hand gehen müssen. Geht der Fleischkonsum nicht in gleichem Maße zurück, dann wird unser Fleischimport zunehmen, was definitiv nicht besser für Tierschutz, Umwelt- und Klimaschutz wäre. Außerdem sollte BM Özdemir darauf aufmerksam gemacht werden, dass der ökologische Landbau maßgeblich auf Wirtschaftsdünger angewiesen ist. Mit weniger Nutztierhaltung dürfte deshalb also auch seine beabsichtige Ausweitung des ökologischen Landbaus nicht funktionieren.

Abschließend stellt sich nur die Frage, ob BM Özdemir es tatsächlich nicht besser weiß? Man sollte doch annehmen, dass er in seinem Ministerium einen Haufen Fachleute beschäftigt, die ihn in solchen Fragen kompetent beraten können? Was meint ihr?



[2] Pressemitteilung Nr. 115/2022, „Özdemir: Licht und Schatten bei der Ernte 2022“, https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/115-erntebericht.html

[5] Umweltbundesamt, „Stickstoff – Zuviel des Guten? Überlastung des Stickstoffkreislaufs zum Nutzen von Umwelt und Mensch wirksam reduzieren“, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4058.pdf, S. 11

[7] Kleine Anfrage an die Bundesregierung, 07.06.2022, „Düngemittelversorgung in Deutschland“, Bundestagsdrucksache 20/2193, https://dserver.bundestag.de/btd/20/021/2002193.pdf

 

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