Externe Kosten der Landwirtschaft – Stimmt die Rechnung?
Unter externen Effekten versteht man in der Volkswirtschaftslehre die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten (Produktion, Konsum) auf Andere, ohne dass sich diese Folgen in den Preisen der Aktivitäten niederschlagen[1]. Bezogen auf die Landwirtschaft werden unter externen Kosten negative Auswirkungen der Landwirtschaft für die Allgemeinheit verstanden, die direkt oder indirekt als unbeabsichtigte Nebeneffekte der Produktion entstehen. Das können beispielsweise Umweltbelastungen wie Luft- oder Wasserverschmutzung sein. Wenn die Kosten von negativen externen Effekten von der Gesellschaft getragen werden, dann gibt es für die Verursacher auch keinen Anreiz diese negativen Auswirkungen einzuschränken. Umgekehrt gibt es auch externe Nutzen der Landwirtschaft für die Allgemeinheit, die als unbeabsichtigte Nebeneffekte der Produktion entstehen und für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten verursachen. Das sind beispielsweise die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und ökologische Leistungen wie die Pflege der Kulturlandschaft.
In beiden Fällen handelt es sich um
eine Form von Marktversagen. Die Internalisierung externer Effekte ist daher eine
wirtschaftspolitische Möglichkeit, um dieses Marktversagen zu beseitigen. Dazu
müssen diese aber seriös monetarisiert werden, was in der Realität allerdings
eine große methodische Herausforderung darstellt. Es gibt zahlreiche Studien zu
externen Kosten der Landwirtschaft, die jedoch alle eher auf Schätzungen
basieren. So behauptet beispielsweise die Zukunftskommission
Landwirtschaft (ZKL) in ihrem Abschlussbericht, dass dem bestehenden Agrar-
und Ernährungssystem beachtenswerte negative externe Kosten von mindestens 90 Mrd.
Euro pro Jahr zuzurechnen seien und bezieht sich dabei auf eine Studie der Boston
Consulting Group (BCG), die mit Unterstützung des WWF im Jahr 2019 erstellt
wurde[2].
In diesem Beitrag möchte ich
etwas näher beleuchten, wie diese 90 Mrd. Euro Zustandekommen. Dieser errechnete
Wert setzt sich in der Studie aus den externen Kosten für den Bereich Ökologie
mit den fünf Kategorien Klima, Luft, Wasser, Boden und Tierhaltung sowie dem
Bereich Ökosystemleistungen zusammen:
1. Ökologie
+ Klima 24,3 Mrd.€
+ Luft 17,5 Mrd.€
+ Wasser 0,9 Mrd.€
+ Boden 0,9 Mrd.€
+ Tierhaltung 0,17 Mrd.€
= 43,77 Mrd.€
2. Ökosystemleistungen
= 47 Mrd. €
Am auffälligsten ist die
Kostenrechnung in der Kategorie Klima, in der die Treibhausgasemissionen der
Landwirtschaft, der Mineraldünger- und Pflanzenschutzmittelherstellung sowie
der Importe von Mineraldüngemitteln und Futtermitteln (Soja, Raps)
berücksichtigt werden. Zusammen würden diese insgesamt etwa 132,9 Mio. Tonnen
CO2 pro Jahr verursachen. Zur Berechnung der externen Kosten wurde dann ein vom
Umweltbundesamt (UBA) empfohlener Kostensatz von 180 Euro pro Tonne
veranschlagt, obwohl die damaligen Marktpreise für CO2-Zertifikate zwischen 10
und 25 Euro pro Tonne lagen. Wenn wir der Berechnung jedoch die gängigen Preise
zugrunde legen, dann kommen wir hier auf deutlich niedrigere externe Kosten von
etwa 1,3 bis 3,3 Mrd. Euro.
Ebenfalls kritisch zu betrachten
sind die Kategorien Wasser und Boden. In der Kategorie Wasser wurden die Kosten
zur Sicherung der Trinkwasserbereitstellung sowie für die Eutrophierung von
Binnengewässern eingerechnet. Die externen Kosten Trinkwasseraufbereitung und
-monitoring wurden mit etwa 0,7 Mrd. Euro angegeben. Dies erscheint mir deshalb
hinterfragenswert, weil diese Kosten ja auch ohne die Existenz der
Landwirtschaft entstehen würden. Für die Eutrophierung, etwa 0,2 Mrd. Euro,
wurden die Kosten aus dem Jahr 2008 aus dem Vereinigten Königreich verwendet
und auf die Fläche Deutschlands hochgerechnet. Auch dieser Wert sollte deshalb
eher kritisch betrachtet werden. Ähnlich verhält es sich bei der Berechnung der
externen Kosten in der Kategorie Boden, etwa 0,9 Mrd. Euro, welche sich auf die
direkten Kosten der Beseitigung von Erosionsschäden beschränkt. Dazu wurde eine
EU-weite Studie der Europäischen Kommission herangezogen und deren Ergebnisse
ohne Berücksichtigung der regionalen Unterschiede einfach auf Deutschland
umgelegt.
Schließlich wurden dazu noch die
externen Kosten für den Verlust von Ökosystemleistungen wie beispielsweise der
Verlust von Biodiversität addiert. Dabei wurde die Annahme eines
Entschließungsantrags des Europäischen Parlaments unkritisch übernommen, dass
Biodiversitätsverluste das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) jährlich um 3%
reduzieren würden[3]. Diese
3% wurden auf das deutsche BIP übergelegt und der Landwirtschaft über ihren
Flächenanteil von rund 47% zugerechnet. Zwar wird zugegeben, dass die deutsche
Landwirtschaft auf diese Weise möglicherweise überproportional belastet wird,
dennoch fließen die so errechneten externen Kosten von 47 Milliarden vollständig
in die Berechnung für Verlust von Ökosystemleistungen ein.
Wie wir feststellen konnten,
wurden die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft in den meisten
Bereichen lediglich geschätzt und insgesamt bewusst viel zu hoch angelegt. Auf
diese Weise kommt der extrem hohe Wert von 90 Mrd. Euro zustande und es
entsteht der Eindruck, dass die Landwirtschaft diese Kosten tatsächlich
verursacht und deshalb dringender politischer Handlungsbedarf bestehe. Was
außerdem auffällt ist, dass die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und damit der
externe Nutzen der Landwirtschaft in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt
wird. Eine seriöse Berechnung sieht meines Erachtens anders aus!
Abschließend möchte ich noch zu
bedenken geben, dass eine Internalisierung der externen Kosten der
Landwirtschaft nach dem Verursacherprinzip die landwirtschaftlichen
Produktionskosten weiter verteuern würde. Die heimischen landwirtschaftlichen
Betriebe hätten dadurch einen weiteren immensen Wettbewerbsnachteil, weil
ausländische Betriebe von diesen Belastungen nicht betroffen wären. Heimische
Produkte würden also wahrscheinlich noch stärker als ohnehin schon durch
billige Importe aus dem Ausland ersetzt werden. Solange also
Lebensmittelimporte aus Drittländern nicht dieselben Umweltstandards wie
hierzulande erfüllen müssen, sollte die Debatte zur Internalisierung der
externen Kosten der Landwirtschaft etwas zurückhaltender geführt werden. Das
Aus für zehntausende bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland kann wirklich niemand wollen.
[1] http://www.vwl-online.ch/ploneglossary.2009-03-16.8052689907/ploneglossarydefinition.2009-03-30.2937459826
[2] Kurth,T.
et al. (Boston consulting Group), 2019, „Die Zukunft der deutschen
Landwirtschaft nachhaltig sichern“,
https://image-src.bcg.com/Images/Die_Zukunft_der_deutschen_Landwirtschaft_sichern_tcm108-234154.pdf,
S. 115
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