Streitpunkt Düngeverordnung – Hintergründe einer vergifteten Debatte
Einer der größten Streitpunkte in der Debatte um die Landwirtschaft ist die Düngung und in diesem Zusammenhang auch die sogenannte Düngeverordnung, in der beispielsweise die Anforderungen an die gute fachliche Praxis der Düngung geregelt sind. Insbesondere die Öko-Lobbyverbände verwenden in der gesellschaftlichen Diskussion immer wieder radikale Begriffe wie „Brunnenvergifter“, „Nitrat- oder „Grundwasserverseuchung“ und stellt die Landwirte als Alleinschuldige hin. Die Vorwürfe sind meist jedoch schlecht recherchiert und die Forderungen oft rückwärtsgewandt. Sachliche Diskussionen sind kaum möglich. In diesem Beitrag möchte ich deshalb nochmal beleuchten, wie es überhaupt zu den verschärften Maßnahmen in der Düngeverordnung kam und wie es tatsächlich um die ausgebrachte Düngermenge in Deutschland bestellt ist.
Exkurs: Warum wird in der
Landwirtschaft gedüngt?
Pflanzen benötigen neben
Sonnenlicht und Wasser vor allem auch die Nährstoffe, um zu gedeihen. Diese dem
Ackerboden entzogenen Nährstoffe werden mit dem Erntegut abtransportiert. Damit
die Bodenfruchtbarkeit und Bodengesundheit erhalten bleibt, müssen die so
entzogenen Nährstoffe durch Düngung ersetzt werden. Das kann durch den Einsatz
von organischen Düngern wie Gülle und Mist, Mineraldüngern oder einer Kombination
aus beidem erfolgen. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig erkannte Mitte des
19. Jahrhunderts, dass das Wachstum der Pflanze durch den Nährstoff begrenzt
wird, der sich im Minimum befindet (Gesetz vom Minimum). Umgekehrt ausgedrückt
limitiert der am stärksten im Mangel befindliche Nährstoff das Pflanzenwachstum
und die -qualität. Die Düngung erfolgt stets bedarfsgerecht, d.h. sie
orientiert sich am Nährstoffbedarf der Pflanzen. Zur Bestimmung des jeweiligen
Düngerbedarf ermitteln Landwirte mit einer Bodenuntersuchung die im Boden
pflanzenverfügbaren Nährstoffe und ziehen diese vom Nährstoffbedarf ab.[1].
Nitratrichtlinie & Düngeverordnung
Die EU-Nitratrichtlinie von 1991
hat den Schutz der Grund- und Oberflächengewässer vor Nitratverunreinigungen
aus landwirtschaftlichen Quellen zum Ziel. Die Mitgliedstaaten haben sich in
diesem Rahmen unter anderem verpflichtet, verbindliche Aktionsprogramme
festzulegen, um Nitratgehalte über 50 mg/l im Grundwasser zu verhindern[2].
In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Eintrag von Nitrat aus
landwirtschaftlichen Quellen ins Grundwasser von 1996 bis 2014 dazu mit einem
nicht flächenrepräsentativen Belastungsmessnetz gemessen. Dafür wurden
ausschließlich solche Messstellen ausgewählt, bei denen die Nitratgehalte bereits
vor 1995 deutlich erhöht (>50 mg/l) waren. Hintergrund war, dass sich so die
Wirksamkeit des Aktionsprogrammes am besten zeigen lasse[3].
Seit 2012 kritisierte die EU-Kommission diese Vorgehensweise zur Umsetzung der
EU-Nitratrichtlinie sowie die extrem niedrige Messstellendichte scharf[4].
Es kam zu einem Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Als
Reaktion darauf novellierte die Bundesregierung die Düngeverordnung 2017. Im
Jahr 2018 wurde die Bundesrepublik Deutschland dann wegen unzureichender
Umsetzung der Nitratrichtlinie vom EuGH verurteilt. Weil die EU-Kommission der
Auffassung war, dass die Novelle der Düngeverordnung dem EuGH-Urteil nicht
gerecht werde, wurde 2019 dann ein Zweitverfahren gegen die Bundesrepublik
Deutschland eingeleitet. Es standen Strafzahlungen in Höhe eines
Pauschalbetrages von mindestens 11 Millionen Euro sowie ein Zwangsgeld von bis
zu etwa 800.000 Euro täglich im Raum, falls es zu einer zweiten Verurteilung
gekommen wäre[5].
Aufgrund dieses Druckes musste
die Bundesregierung die Düngeverordnung 2020 dann nochmals deutlich verschärfen.
Trotzdem musste auf Druck der EU-Kommission dieses Jahr erneut nachgebessert
werden, weil vor allem die Ausweisung der sogenannten nitratbelasteten Gebiete
kritisiert wurde. Insgesamt wurde die Fläche dieser sogenannten roten Gebiete deutschlandweit
nun um 45% auf etwa 2,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche
vergrößert[6].
Wohlgemerkt basieren alle diese Maßnahmen auf den völlig überhöhten Nitratmesswerten
aus dem nicht flächenrepräsentativen Belastungsmessnetz. Mittlerweile konnte in
mehreren Fachgutachten nachgewiesen werden, dass es erhebliche Mängel am
bautechnischen Zustand vieler Messstelle gibt. Wie außerdem darin belegt werden
konnte, ist das gesamte deutsche Nitratmessnetz wenig repräsentativ[7][8].
Wenig verwunderlich also, dass die EU-Kommission unter diesen Voraussetzungen falsche
Schlüsse ziehen musste.
Kritik an vorgeschriebener
Unterdüngung
Der größte Kritikpunkt an der
verschärfen Düngeverordnung ist neben dem fehlenden Verursacherprinzip und der dementsprechend
willkürlichen Ausweisung der roten Gebiete, sicherlich die Vorgabe, dass die
Stickstoffdüngung in den roten Gebieten um 20% des ermittelten Bedarfs
reduziert werden muss. Diese Unterdüngung wirkt sich negativ auf die
Getreideerträge und -qualitäten aus und hat damit einen direkten Einfluss auf
die Einkommen der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe[9].
Mittel- bis langfristig drohen dadurch auch massive ökologische Probleme. Weil
der Düngerbedarf auch am vorherigen Ertrag bestimmt wird, ist zu erwarten, dass
durch die zurückgehenden Erträge eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird, die
die Böden auslaugt und den Humus abbaut[10][11].
Die Wirksamkeit der „-20%-Regelung“ ist also mehr als nur zu hinterfragen und
definitiv nicht zielführend[12]!
Rückgang der Nutztierbestände
Unabhängig davon habe ich mir außerdem
die Entwicklung der Rinder- und Schweinestände (Wirtschaftsdünger) im Zeitraum
2015, also vor der novellierten Düngeverordnung 2017, bis 2022 angeschaut.
Insgesamt ist die Zahl der Rinder in Deutschland in diesem Zeitraum von etwa 1,27
Mio. auf etwa 1,1 Mio. Tiere um etwa 13% gesunken[13][14].
Der Rückgang bei den Schweinebeständen war mit etwa 20,5% von etwa 2,8 Mio. auf
etwa 2,2 Mio. Tiere weitaus größer und dürfte sich allein in diesem schwierigen
Wirtschaftsjahr nochmal deutlich verstärkt haben[15][16].
Das bedeutet, dass wir von erheblichen Rückgängen beim Gesamtaufkommen an
Wirtschaftsdüngern ausgehen müssen. Wir können davon ausgehen, dass derzeit
nicht mehr als etwa 22% der verwendeten Stickstoffdüngemenge überhaupt aus der
Tierhaltung stammt[17].
Rückgang der Düngemittelabsätze
Aber auch der Inlandsabsatz von
Mineraldüngern ist seit 2015 stark rückläufig. Bei stickstoffhaltigen
Düngemitteln ist er im gleichen Zeitraum von etwa 1,8 Mio. Tonnen auf etwa 1,26
Mio. Tonnen um knapp 30,5% gesunken. Bei den phosphorhaltigen Düngemitteln sanken
die Verkäufe sogar um etwa 36%[18].
Aufgrund der explodierenden Gaspreise dürften sich die Mineraldüngerabsätze in
diesem Jahr ebenfalls nochmal stark reduziert haben. Nachweislich bringen die deutschen
Landwirte also seit 2015, noch vor der 2017 novellierten Düngeverordnung,
insgesamt deutlich weniger Dünger aus. Mittlerweile muss sogar die Frage
gestellt werden, ob wir uns angesichts dieser drastisch gesunkenen Zahlen nicht
schon längst in einem Bereich bewegen – ganz besonders bei den organischen
Düngern – , in dem die Pflanzen längst am Stickstoff zehren, der im Humus in
den Böden gespeichert ist. Es bleibt auf jeden Fall zu beobachten, wie sich
diese Situation in den kommenden Jahren entwickelt.
Fazit
Abschließend muss nüchtern festgestellt
werden, dass wir bereits seit mehreren Jahren einen starken Rückgang bei den
Inlandsabsätzen von Mineraldünger sowie bei den organischen Düngern zu
verzeichnen haben. Gerade bei Letzteren können wir erschreckenderweise nur noch
22% des Stickstoffbedarfs aus der Nutztierhaltung decken. Tendenz weiter
fallend. Kein gutes Zeichen für den Erhalt der Bodengesundheit und den
Humusaufbau. Zweitens wollte ich nochmal aufzeigen, dass die hysterische und
vergiftete öffentliche Debatte auf völlig überhöhten Nitratmesswerten beruht. Die
Politik hätte sich viel Ärger ersparen können, wenn sie frühzeitig interveniert
hätte. Aber das schien und scheint gar nicht gewollt zu sein. Es sollte jedoch
nicht länger toleriert werden, dass es keine EU-weit einheitlichen Vorgaben für
die Nitratmessnetze und die Erhebung der Messwerte gibt. Dabei machen ja eigentlich
nur vergleichbare Daten Sinn. Außerdem sollte die umweltschädliche Praxis der 20%igen
Unterdüngung in roten Gebieten sofort beendet werden und die Ausweisung der
nitratbelasteten Gebiete m.E. ausschließlich auf Grundlage des
Verursacherprinzips erfolgen. Ein weiter so geht nur zu Lasten der bäuerlichen
Existenzen, der landwirtschaftlichen Erträge und Qualitäten sowie der
Bodengesundheit.
[1] https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-foerster-und-pflanzenbauer/warum-duengt-der-bauer
[2] https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/fighting-water-pollution-from-agricultural-nitrates.html
[3] Nitratbericht
2012, www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/nitratbericht_2012_bf.pdf,
S. 27
[8] www.susonline.de/news/management/nitrat-monitoring-welche-schwachstellen-gibt-es-in-nrw-11970093.html
[9] https://www.effizientduengen.de/2020/neue-duengeverordnung-rote-gebiete-stickstoff-duengebedarf-soll-reduziert-werden/
[11] Gerd
Rinas, „Kein Ende des Konflikts“, Bauern Zeitung – Wochenblatt für die
ostdeutsche Landwirtschaft, Nr. 3, 21.01.2022, S. 12
[12] https://www.stiftung-klima.de/app/uploads/2021/06/2021-06-01-Klimaneutralitaet_Landwirtschaft.pdf,
S. 34f.
[13] https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00032663/2030410155324_vervollstaendigt26042016.pdf
[14] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Tiere-Tierische-Erzeugung/Tabellen/betriebe-rinder-bestand.html
[15] https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00032663/2030410155324_vervollstaendigt26042016.pdf
Kommentare
Kommentar veröffentlichen