Mogelpackung staatliche Tierhaltungskennzeichnung
Das Bundeskabinett hat kürzlich einen Gesetzentwurf für eine Tierhaltungskennzeichnung verabschiedet. Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz möchte die Bundesregierung die rechtliche Verpflichtung zur Kennzeichnung von inländischen Lebensmitteln tierischer Herkunft mit der Haltungsform der Tiere schaffen. Geplant sind fünf Haltungsformen: Stall; Stall + Platz; Frischluftstall; Auslauf/Freiland und Bio. Damit sollen die Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung klar erkennen können, wie ein Tier gehalten wurde. Noch in diesem Jahr soll die erste Lesung im Deutschen Bundestag erfolgen.
Die Kennzeichnungspflicht soll zunächst
nur für Frischfleisch aus der inländischen Schweinemast gelten, wenn es im
Lebensmitteleinzelhandel, in Metzgereien oder im Onlinehandel verkauft wird. Der
Verkauf von verarbeiteten Produkten wie Wurst und Schinken sowie über die
Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung bleiben erst einmal unberücksichtigt. Ebenso
unberücksichtigt bleiben die Geburt und Aufzucht der Schweine. So könnten beispielsweise
betäubungslos kastrierte Ferkel aus dem Ausland problemlos in den heimischen
Markt importiert werden und mit einer hohen Haltungsstufe gekennzeichnet werden.
Ausländische Ware soll nicht der Kennzeichnungspflicht unterliegen, aber
freiwillig daran teilnehmen dürfen.
Wenn das Konzept der
verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung am Beispiel Schweinefleisch
grundsätzlich von der EU-Kommission notifiziert wurde, soll es im Laufe der
Legislaturperiode schrittweise auf weitere Tierarten wie Rinder, Milchvieh und
Geflügel sowie auf weitere Vermarktungswege ausgeweitet werden[1].
Der Bundeslandwirtschaftsminister, Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), betont,
dass die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ein erster wichtiger Schritt
sei, „um beim Umbau zu einer zukunftsfesten Tierhaltung voranzukommen“.
Sein Gesamtvorhaben zukunftsfeste Tierhaltung soll außerdem Anpassungen im Bau-
und Genehmigungsrecht, ein Förderkonzept für den Umbau hin zu tiergerechteren
Ställen und Änderungen im Tierschutzrecht umfassen[2].
Einen entsprechenden Zeitplan möchte er mit Start der Gesetzesberatungen vorstellen.
Mit der Tierhaltungskennzeichnung
kommen auf die schweinehaltenden Betriebe vor allem neue Aufzeichnungspflichten
und Kontrollen zu, die sie mit zusätzlicher Bürokratie belasten und Mehrkosten
verursachen. Dadurch entstehen heimischen Betrieben erhebliche Wettbewerbsnachteile
gegenüber ausländischen Konkurrenten, die von der Kennzeichnungsverpflichtung
ausgenommen sind, beziehungsweise per freiwilliger Selbstauskunft und frei von
belastbaren Kontrollsystemen agieren können. Auch, weil zunächst nur ein
Teilbereich des Marktes mit etwa einem Drittel des Schweinefleischabsatzes in
Deutschland unter die Kennzeichnungspflicht fallen soll, stellt sich die Frage:
Ist das ein ausreichender Anreiz?
Wir befinden uns inmitten der
schwersten Inflation seit den Nachkriegsjahren. Die Preise für Nahrungsmittel
sind im September mit 18,7 Prozent im Vergleich zur Vorjahresmonat deutlich
stärker als die Gesamtteuerung gestiegen und die Preise für Fleisch und
Fleischwaren sogar um 19,5 Prozent[3].
Und ein Ende der Preissteigerungen ist noch lange nicht absehbar, ganz im
Gegenteil. Durch die höheren Preise sinkt naturgemäß auch der Fleischkonsum. So
ist der Absatz von Fleisch und Wurst im ersten Halbjahr um etwa 11,5 Prozent
zurückgegangen[4]. Die
Absatzprobleme sind jetzt schon so groß, dass etliche große
Schlachterei-Unternehmen bereits einen Aufnahmestopp für neue Abnahmeverträge
bei Schweinen aus Tierwohlprogrammen erklären mussten[5].
Ausgerechnet in diesem
schwierigen und von Unsicherheit geprägten Marktumfeld, wo die die Verbraucher
sich zunehmend kein Fleisch leisten können oder immer öfter zu günstigem
Fleisch greifen (müssen), möchte die Bundesregierung mit der Einführung der
verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung nun Anreize für einen Stallumbau zu
einer höheren Haltungsstufe schaffen. Da stellt sich die Frage, welcher
halbwegs ökonomisch denkende Tierhalter würde bei so einer Ausgangssituation und ohne
die gesicherte Nachfrage nach Produkten aus höheren Haltungsstufen, jetzt
mehrere hunderttausend Euro in einen Stallumbau oder -neubau investieren? Mal unabhängig von der Frage der Baugenehmigung und zumal
gerade in der Schweinehaltung die wirtschaftliche Lage seit mehr als zwei
Jahren extrem angespannt ist. Wegen dem nach wie vor nicht kostendeckenden
Preisniveau und den explodierenden Produktionskosten, v.a. für Energie und
Futtermittel, geben immer mehr Betriebe auf. Es steht deshalb leider eher zu befürchten, dass die
verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung diese Aufgabewelle noch
verstärken wird.
[1]
Eckpunkte zur Einführung einer verpflichtenden staatlichen
Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 07.06.2022), https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tierschutz/eckpunkte-tierhaltungskennzeichnung.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[2] Pressemitteilung
Nr. 140/2022, 12.10.2022: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/140-tierhaltungskennzeichnung.html
[3] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/inflation-lebensmittel-preise-energie-heizoel-gas-neun-euro-ticket-101.html
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