Staatliche Ernährungserziehung durch Lenkungssteuern?

Immer wieder ist insbesondere von grünen Politikern zu vernehmen, dass das Wort Steuer von steuern kommen würde. Das ist jedoch falsch. Das Wort leitet  sich aus dem althochdeutschen stiura beziehungsweise dem mittelhochdeutschen stiure ab, was Stütze im Sinne von Unterstützung bedeutet[1]. Die Erhebung von Steuern hat in erster Linie das Ziel Einnahmen für den Staat zu generieren und damit hoheitliche Aufgaben zu finanzieren[2]. Richtig ist aber, dass der Staat mit der Erhebung sogenannter Lenkungssteuern die Möglichkeit hat, durch die Besteuerung bestimmter Waren und Dienstleistungen das Verhalten der Steuerpflichtigen zu lenken, indem ein unerwünschtes Verhalten finanziell belastet wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Besteuerung von Tabak und Alkohol[3].  In der politischen Debatte wird nun zunehmend gefordert, auch auf bestimmte Lebensmittelgruppen wie beispielsweise Fleisch und Zucker Lenkungssteuern zu erheben, um dadurch eine gesündere Ernährung zu fördern. Wahrscheinlich werden sich diesbezügliche Forderungen bereits in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung wiederfinden, die derzeit erarbeitet wird.

Solche staatlichen Eingriffe in den Markt müssen stets kritisch betrachtet werden. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, weist beispielsweise darauf hin, dass die rechtsstaatliche Demokratie des Grundgesetzes im Hinblick auf erwachsene Bürger in aller Regel nur über einen allgemeinen Auftrag zur Information und Aufklärung verfügt und nicht zur Vorgabe von erzieherischen Weltanschauungen oder Lebenssinn. Einseitig fokussierte Ideale einer vollständig gesteuerten, zieloptimierten Gesellschaft würden dem Menschenbild des Grundgesetzes als einer selbstbestimmten, zur eigenen Entfaltung befähigten Persönlichkeit, widersprechen. Der Gesetzgeber darf zwar unter Achtung der Grundrechte kollektive Ziele formulieren und verbindlich machen, den Menschen dabei aber nicht die Freiräume für Selbstentfaltung und eigenes Entscheiden substantiell entziehen. Weil die Art und Weise der Ernährung zur persönlichen Lebensgestaltung gehöre, habe der Gesetzgeber nicht das Mandat, den Lebenswandel der Bürger durch moralische Erziehung oder verdeckte Verhaltenslenkung zu „bessern“[4].

Rückendeckung erhält er vom Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland, René Püchner, der die Wichtigkeit von bewussten und freien Entscheidungen unterstreicht, die auf Grundlage umfassender Informationen und dem Verständnis, diese einzuordnen und zu beurteilen, basieren. Lenkungssteuern, die dabei auch noch bestimmte sozioökonomische Gruppen übervorteilen, seien fehl am Platz. Auch der Leiter der Bundesstiftung für Privatheit und Datenschutz, Frederick Richter, sieht solche Vorhaben kritisch. Er warnt, dass gerade im Land der informellen Selbstbestimmung und der erstrebten Datenautonomie des Einzelnen ein Gefühl von latenter Bevormundung und von ansatzweiser Unterwanderung eigener Entscheidungsprozesse tunlichst vermieden werden soll[5].

Abseits davon, sind Lenkungssteuern auf bestimmte Lebensmittelgruppen auch deshalb kritisch zu betrachten, weil sie bei der Prävention von ernährungsbedingten Krankheiten nicht unbedingt zielführend sind. Die Entstehung von Übergewicht, Adipositas und nichtübertragbaren Krankheiten ist vielschichtig und wird nicht allein durch verhaltensbezogene Faktoren wie Ernährung und Bewegung beeinflusst, sondern vor allem auch durch eine Vielzahl genetischer, physiologischer, sozialer und kultureller Faktoren. Einzelne Nährstoffe oder einzelne Lebensmittel können daher nicht pauschal für die Entstehung von Übergewicht, Adipositas und/oder nichtübertragbaren Krankheiten verantwortlich gemacht werden. In einer ausgewogenen Ernährung finden alle Lebensmittel ihren Platz und die Forschung zu personalisierten Ernährungsweisen gewinnt zunehmend an Bedeutung[6].

Abschließend betrachtet stelle ich fest, dass die Erhebung von Lenkungssteuern auf bestimmte Lebensmittelgruppen übergriffig ist und auch verfassungsrechtlich problematisch wäre. Der Staat soll und darf nicht durch moralische Erziehung oder verdeckte Verhaltenslenkung in die Ernährungsentscheidungen der selbstbestimmten Bürger eingreifen. Stattdessen sollte verstärkt auf die Eigenverantwortung des Einzelnen, unter Berücksichtigung des Leitbilds des mündigen Verbrauchers, gesetzt werden. Um die bewusste und freie Entscheidung zu stärken, sollte die Politik daher bei der Transparenz, Kennzeichnung sowie der wissenschaftsbasierten und objektiven Aufklärung ansetzen. Das ist der richtige Hebel, wenn man unser Ernährungsumfeld verbessern möchte.

 

 

 

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